Kinderbuch-Coaching

Alles rund um Kinderbuch-Illustration

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Heute erzähle ich euch von meinen Erfahrungen mit Schulbuchverlagen.

 

Ja, die Gerüchte sind wahr:

Gewöhnlich erhält man bei der Zusammenarbeit mit einem Schulbuchverlag nur eine einmalige Vergütung (im Englischen "Work for hire") und ist damit vollständig ausbezahlt. - Tantiemen gibt es nicht.

Wäre zwar eine sehr schöne Sache, da Schulbücher zum Teil über viele Jahre in sehr hohen Auflagen gedruckt werden, aber es ist für sie weder finanziell noch vom Verwaltungsaufwand her leistbar.

 

An einem Schulbuch arbeiten gewöhnlich sehr viele Freelancer mit - selbst, wenn nur ein einziger Illustrator für die Bebilderung zuständig ist, sind es gewöhnlich mehrere Autoren, die die Texte liefern.

Und die hätten genauso Anspruch auf Tantiemen.

Da die Budgets gewöhnlich durch die vorausgehende Kalkulation ziemlich festgelegt sind, haben die Lektoren wenig oder auch gar keinen Spielraum für Nachverhandlungen. Ich habe erlebt, dass manchmal Budget von einem anderen Projekt "geklaut" wird, bei dem die Kalkulation rosiger war, um ein paar doch noch nötige Zusatzillustrationen zu finanzieren. Das geht aber nur in Ausnahmefällen.

Wie man damit als Illustrator umgehen kann?

  • Mit dem Verlag vereinbaren, dass keine/wenig komplizierte/hochaufwändige Bilder möglich sind oder die Gesamtanzahl der Bilder begrenzen. Verlage können dann z.B. darauf ausweichen, das eine oder andere Bild mehrmals zu verwenden oder lassen statt einer ganzen Familie nur zwei Kinder zeichnen. 
  • Sich das gesamte für die Illustrationen zur Verfügung stehende Budget nennen lassen, anstatt eigene Preise zu nennen (siehe unten). So kann man abwägen, ob man sich leisten kann, den Auftrag anzunehmen.
  • Möglichst viel mit Vorlagen arbeiten. Z.B. für ein Auto "Clipart auto" googeln und einen der Treffer abzeichnen.
  • "Schneller" zeichnen lernen, dann ist der Stundenlohn höher: Weniger Details, weniger Schattierungen.


Den letzten Rat gebe ich aber ausschließlich in Bezug auf Schulbuchverlage! Wenn ihr der alleinige Illustrator eines Bilderbuches seid, sollten die Illustrationen das Beste werden, das ihr je erschaffen habt. Alleine schon, weil ihr solche Bilder sorgenfrei in euer Portfolio geben könnt und das die Wahrscheinlichkeit für weitere Aufträge erhöht.
Im Schulbuch hingegen sind die Ansprüche an die zeichnerische Qualität dadurch, dass die Bilder nur begleitendes Material sind, nicht dermaßen hoch.

Wie aber läuft so eine Zusammenarbeit mit einem Schulbuchverlag nun eigentlich ab?
Als uns die Anfrage erreichte, wurden wir gebeten, eine Übersicht zu liefern, welche Art von Illustration (von "simpel" bis "sehr aufwändig") wie viel kosten würde. Da wir das selbst noch nicht einschätzen konnten, weil es unsere erste Schulbuchzusammenarbeit war, boten wir an, stattdessen für ein Pauschalhonorar zu arbeiten.
Das erleichterte beiden Seiten die Arbeit: Uns wurde verraten, welches Budget für das Projekt für die Illustrationen zur Verfügung stand, uns wurde dieses gesamte Budget zugesprochen und dafür musste keine der beiden Seiten immer wieder nachrechnen, wie viel Geld für welchen Aufwand bereits ausgegeben war, was deshalb noch möglich sein würde und was nicht, etc. pp..
Wir haben für das Großprojekt etwa 250 Bilder gezeichnet und dafür einen niedrigen 5-stelligen Betrag erhalten. Leider ist es vertraglich vereinbart, nicht im Detail über das Honor zu sprechen.
Die Komplexität der Bilder reichte von "eine rote Paprika" bis zu "eine 9-köpfige Familie kurz vor dem gemeinsamen Essen, die Tante malt, die Nichte steht mit Froschplüschtier Modell, der übergewichtige Onkel mit Vollbart sitzt auf einem Sitzball vor dem Fernseher, auf dem eine Tierdoku läuft, der Opa liest dem Enkel aus einem Buch vor, der Hund klaut eine Wurst vom Tisch, Opa 2 und Oma 2 sitzen händchenhaltend am Esstisch, Mama sitzt auch dort und liest Zeitung, Papa bringt einen Topf voll Suppe".

Da die Texte des Buch noch in der Entstehung waren, war es nicht möglich, uns von Anfang an eine komplette Liste der benötigten Illustrationen zu liefern. Stattdessen erhielten wir über einen Zeitraum von ca. 1,5 Jahren immer wieder ein weiteres Kapitel mit sehr genauen Bildbeschreibungen, bereits gesetzten und gelayouteten Texten und markierten Flächen, die zeigten, wie groß die dorthin gehörende Illustration werden musste.
Um nicht den Überblick zu verlieren und weil wir zu zweit arbeiteten, legten wir uns pro Kapitel eine Tabelle mit den wichtigsten Infos an. Dort trug man z.B. ein, wenn man eines der Bilder übernehmen wollte. Aber auch wie weit das Bild ist, wurde dort festgehalten: An welchem Tag die Skizze zur Freigabe gemailt wurde, an welchem Tag die Freigabe kam, Korrekturanweisungen, etc. pp. .
 

Der in den meisten Verlagen übliche Workflow hätte so ausgesehen:

  1. Herzeigen einer grobe Skizze.
  2. Korrekturanweisungen vom Lektorat, bis grobe Skizze zur weiteren Ausarbeitung freigegeben ist.
  3. Herzeigen der Vorzeichnung.
  4. Korrekturanweisungen vom Lektorat, bis Vorzeichnung zur weiteren Ausarbeitung freigegeben ist.
  5. Herzeigender Reinzeichnung (also fertig koloriertes Bild).
  6. Korrektur anweisungen vom Lektorat, bis Reinzeichnung freigegeben ist.
  7. Upload der fertigen Illu auf den FTP-Server des Verlags.

Da wir aber sehr genau ausgearbeitete "grobe Skizzen" lieferten, fielen bei uns Schritt 3 und 4 weg. Zudem möchte ich anmerken: Da die Beschreibungen der Bilder schon sehr genau vorgaben, was zu zeichnen sein würde, gab es nur sehr selten Korrekturanweisungen vom Lektorat.


Zwischen Dezember und März hatten wir eine Zeichenpause, da in diesem Zeitraum das neue Buch (im halbfertigen Zustand) beim Bildungsministerium zur Begutachtung vorlag. Erst nach einem positiven Gutachten konnten wir weitermachen. Es hätte auch sein können, dass das Gutachten negativ würde und das Buch nochmal komplett überarbeitet werden müsste, aber das geschieht nur sehr selten.


Das für mich Verrückte an Schulbuchproduktion ist, dass von der Auftragsvergabe bis zum Erscheinen des Buches 2-3 Jahre vergehen können! Auch bei uns war es nun so: Den Auftrag erhielten wir im Frühling, das Buch würde erst im Herbst zwei Jahre später, also insgesamt nach 2,5 Jahren, in Schulen genutzt werden.

 

In unserem Vertrag war festgelegt, dass zu Auftragsbeginn ein Viertel des Honorars zu bezahlen war, ein weiteres Vierte nach Fertigstellung von etwa der Hälfte der Illustrationen und die restliche Hälfte der Summe nach Abgabe der letzten Illustration.
Wir lösten es so, dass ich die ersten beiden Rechnungen stellte und Bibi die letzte.
 

Schon während der Arbeit an diesem Projekt bekamen wir den Auftrag für zwei kleinere Hefte des Verlags, und seitdem gibt es immer wieder Kleinigkeiten für uns zu tun.

Abschließend möchte ich so etwas wie eine Pro-und-Contra-Liste zur Arbeit mit Schulbuchverlagen anlegen:

Mir macht Schulbuchillustration sehr viel Spaß.

Ich mag daran:

  • Die sehr genauen Vorgaben zu den einzelnen Illustrationen, die einem gewöhnlich ersparen, mehr als einen Entwurf zu zeichnen.
  • Die Menge an unterschiedlichen Themen, mit denen man sich auseinandersetzen muss, weil man mal einen Elefanten, der Golf spielt, mal ein paar Piratenkinder zeichnen muss. Ich hab extrem viel dazugelernt.
  • Es sind nur selten sind vollflächige, detaillierte Hintergründe nötig, was Zeit spart.
  • Viele schnell fertig gezeichnete Bilder sorgen für häufige Erfolgerlebnisse, etwas "geschafft" zu haben.
  • Es gibt kaum Charaktere, die wiederholt vorkommen und deshalb konsistent aussehen müssen, also spart man sich, darauf achten zu müssen.
  • Ich finde den Gedanken großartig, dass - wenn sich das Buch gut gegen die Konkurrenz schlägt - sehr viele Kinder hoffentlich durch meine Illustrationen motiviert werden, sich mit dem Buch und dem darin gelehrten Stoff zu befassen.
  • Wenn man mal „drin“ ist in einem Schulbuchverlag, gibt es wenig Grund, weshalb man nicht weitere Aufträge erhalten sollte.


Es gibt natürlich auch Nachteile:

  • Manchmal stellt sich erst relativ spät heraus, dass noch bestimme Illustrationen benötigt werden und dann eilt es ziemlich.
  • Wie schon erwähnt: es gibt keine Tantiemen. Man verdient also nichts zusätzlich, egal, wie hoch die Druckauflagen sind.
  • Die Bilder, die entstehen, sind - zumindest in meinem Fall - nicht qualitativ hochwertig genug, um sie für andere Buchbereiche als Portfoliomaterial zu verwenden.
  • Man muss extrem lang darauf warten, bis Belegexemplare existieren.


Für mich wiegen die Vorteile die Nachteile auf. :D

Ich glaube, dass es leichter ist, als Anfänger im Illustrationsbereich einen Auftrag von einem Schulbuchverlag zu bekommen.

Kontaktdaten:

 

Maria "Mimi" Hecher

Mail: mail@portfoliocoach.de

Portfolio: hecher-illustration.com

SocialMedia: instagram.com/mimihecher